Noch zwei Jahre, dann soll Schluss sein mit Sozialleistungen vom Jobcenter für Kinder: Ab 2025 soll endlich die Kindergrundsicherung kommen. Jetzt stellte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90 / Die Grünen) die Eckpunkte des Großprojektes aus ihrem Ministerium vor, das gleichzeitig eines der zentralen sozialpolitischen Vorhaben der Ampel ist. Mit der Kindergrundsicherung soll „nicht nur das Leistungsniveau“ erhöht, also mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Durch Entbürokratisierung möchte man außerdem künftig mehr leistungsberechtigte Familien und ihre Kinder erreichen. Der SoVD begrüßt die geplanten Verbesserungen als wichtigen Schritt im Kampf gegen Kinderarmut und für mehr Chancengerechtigkeit.
Über die Kindergrundsicherung wird seit Langem diskutiert. Sozialverbände, Kinderschutz- und Familienorganisationen fordern sie bereits seit Jahren. Einer der Gründe dafür ist, dass die derzeit geltenden staatlichen Unterstützungsleistungen komplex und schwer zu überblicken sind. Hinzu kommt die Stigmatisierung, die von Armut betroffene oder armutsgefährdete Familien fürchten und die sie oftmals davon abhält, zum Jobcenter oder Sozialamt zu gehen.
„Die Scham, Leistungen zu beantragen, ist bei Eltern häufig groß. Und da, wo vielleicht keine Scham ist, wissen doch viele Familien nicht, welche Leistungen ihnen zustehen. So leben sie dann oft in verdeckter Armut – mit allen negativen Auswirkungen für sie und ihre Kinder“, weiß SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. „Mit dem Stigma Armut darf kein Kind aufwachsen. Für uns ist deshalb klar: Jedes Kind sollte eine eigene Absicherung erhalten.“
Direkter Vergleich zeigt Vorteile künftiger Regelung
Im direkten Vergleich der heutigen und künftigen Regelung wird deutlich, mit welchen Vereinfachungen und oftmals Verbesserungen Familien mit geringem Einkommen ab 2025 rechnen dürfen, wenn die Kindergrundsicherung 2025 tatsächlich kommt.
Heute zahlt der Staat für jedes Kind bis zum Ende der ersten Ausbildung, etwa einer Lehre oder eines Studiums, bis zum Alter von 25 Jahren monatlich 250 Euro Kindergeld. Den Betrag erhalten die Eltern.
Parallel dazu gibt es die sogenannten Kinderfreibeträge. Die Freibeträge sind steuerfreie Anteile des Einkommens, die sich nach der Kinderanzahl und der Höhe des Einkommens der Eltern richten. Bei der Steuerberechnung ermittelt das Finanzamt, ob sich Kindergeld oder Freibeträge für die Eltern mehr lohnen.
Sind es die Freibeträge, wird dies mit dem ausgezahlten Kindergeld verrechnet. Davon profitieren vor allem hohe Einkommen. Denn Spitzenverdiener*innen werden dadurch im Verhältnis stärker entlastet als Geringverdienende, die Kindergeld beziehen. Das soll sich perspektivisch ändern.
Kindergrundsicherung besteht aus zwei Teilen
Konkret soll die Kindergrundsicherung nach den bislang bekannt gewordenen Details aus zwei Komponenten bestehen: einem Garantiebetrag und einem altersgestaffelten, einkommensabhängigen Zusatzbetrag. Der einheitliche Garantiebetrag ist unabhängig vom jeweiligen Einkommen der Eltern für jedes Kind auszuzahlen – die Höhe soll anfangs mindestens dem dann geltenden Kindergeld entsprechen. Auf längere Sicht wächst der Sockelbetrag laut Plan des Familienministeriums auf das maximale Entlastungsniveau des Kinderfreibetrages an. Dieser liegt momentan bei 354 Euro im Monat. Sind Kinder 18 geworden, in Ausbildung und ziehen zu Hause aus, geht das Geld direkt an sie und bietet eine Hilfe zur Finanzierung von Studium und Ausbildung.
Auch der SoVD fordert, allen Familien den Mindestbetrag in Höhe von 354 Euro zu gewähren. „Jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein“, verlangt SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier.
Gestaffelter Zusatzbeitrag ist einkommensabhängig
Den zweiten Teil der Kindergrundsicherung bildet ein altersgestaffelter Zusatzbeitrag. Hier spielt die Höhe des Einkommens der Eltern eine Rolle.
Der maximale Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung soll so festgesetzt werden, dass er – in der Summe mit dem Garantiebetrag – das altersgestaffelte Existenzminimum eines Kindes abdeckt.
Verschiedene staatliche Leistungen werden somit zusammengefasst und unbürokratisch mit der Kindergrundsicherung ausgezahlt. Ein einfach gehaltenes Online-Portal mit einem anwendungsfreundlichen, intelligenten Antragssystem und ein automatisierter „Kindergrundsicherungs-Check“ sollen es Leistungsberechtigten leicht machen, einen Überblick zu gewinnen und Leistungen erhalten.
Nochmals zum Vergleich: Auch heute können Familien mit geringen Einkommen, die aber nicht so wenig haben, dass sie auf Bürgergeld angewiesen sind, zusätzlich zum Kindergeld einen „Kinderzuschlag“ beantragen. Je nach finanzieller Situation gibt es maximal 250 Euro pro Kind. Zudem haben diese Familien, wie auch Familien im Bürgergeldbezug, Anspruch auf Leistungen aus dem sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket. Der Staat kann etwa Kosten für Schulausflüge, Klassenfahrten, Musikschule, Sportverein und Schulbedarf übernehmen. Das komplizierte Bezugssystem über verschiedene Anlaufstellen schließt jedoch bislang viele Leistungsberechtigte vom tatsächlichen Bezug aus.
Gesetzgebungsverfahren startet im Herbst
Bis Herbst soll jetzt ein entsprechender Gesetzentwurf entstehen. Noch ist vieles ungewiss: Denn obwohl die Kindergrundsicherung erklärtermaßen ganz oben auf der Agenda der Koalition aus SPD, Grünen und FDP steht, gab es von den Liberalen zuletzt erheblichen Gegenwind.
Dass das Existenzminimum von Kindern überdies neu und bedarfsgerecht ermittelt werden müsste, um mit der Kindergrundsicherung Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, ist längst überfällig. In Bezug auf die Festlegung der Regelsätze gibt es im Sozialrecht noch viele ungeklärte Baustellen. Das muss sich ändern, fordert der SoVD. Gemeinsam mit anderen – so etwa im Bündnis für Kindergrundsicherung – wird er den Prozess aufmerksam begleiten und weiterhin gegen Armut und für soziale Gerechtigkeit eintreten.