Die aktuelle Rentensteigerung basiert auf einem seit 1957 geltenden Prinzip, nach dem in erster Linie die Lohnentwicklung des Vorjahres die Berechnungsgrundlage für die jeweilige Rentenanpassung bildet. Die aktuelle Erhöhung ist also vor allem auf die gute Lohnentwicklung des Jahres 2019 zurückzuführen.
Der SoVD begrüßt die Anpassung zum 1. Juli ausdrücklich: „Die Erhöhung erfolgt sachgerecht und aus gutem Grund. Die Rentner*innen partizipieren hierdurch – wenn auch zeitversetzt – an der allgemeinen Einkommensentwicklung. Das bedeutet nichts anderes als Teilhabe am Lebensstandard“, erklärt SoVD-Präsident Adolf Bauer. „Gerade jetzt, wo milliardenschwere Konjunkturprogramme die Wirtschaft ankurbeln sollen, ist es zudem wichtig, auch die Kaufkraft älterer Menschen zu stärken. Sie können auf diese Weise dazu beitragen, den Binnenmarkt zu stabilisieren.“
Auswirkungen der Corona-Krise
Aufgrund ihrer gravierenden Folgen für den Arbeitsmarkt wird sich die Corona-Krise jedoch möglicherweise negativ auf die Rentenentwicklung im kommenden Jahr auswirken. Die Pandemie bringt Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und sinkende Löhne mit sich. Viele Beschäftigte sind davon schwer getroffen.
Niedrigere Löhne ziehen geringere Beitragszahlungen in die Sozialkassen beziehungsweise in die Rentenversicherung nach sich. Und weil die Löhne wiederum die Berechnungsgrundlage für die Rentenanpassung 2021 bilden, gehen erste Prognosen schon jetzt vorsichtig von stagnierenden Altersbezügen aus, sogenannten Nullrunden. Das kann passieren, muss aber nicht, weil die Entwicklung noch offen ist und zudem andere komplexe Anpassungsmechanismen – wie sie zum Beispiel infolge von verstärkter Kurzarbeit notwendig würden – ebenfalls noch nicht absehbar sind.
Das Rentenniveau ist keine individuelle Größe
So kompliziert wie die Rentenanpassungsformeln ist für die meisten auch der Begriff des „Rentenniveaus“ zu verstehen, wenngleich er in jeder Debatte zum Thema vorkommt.
Viele Beschäftigte gehen davon aus, dass das Rentenniveau jeweils den Anteil vom letzten Lohn oder Gehalt widerspiegelt, der demnach jetzt bei gut 48 Prozent läge. Dies ist ein Irrtum. Denn das Rentenniveau ist keine individuelle Größe. Es drückt vielmehr aus, wie sich die Standardrenten mit ihren vorausgesetzten 45 Jahren Beitragszahlung zu den Durchschnittseinkommen verhalten. Dieses Verhältnis wird einmal jährlich als allgemeiner Messwert festgelegt.
Eine im Koalitionsvertrag verankerte und 2018 beschlossene doppelte Haltelinie sorgt bis zum Jahr 2025 dafür, dass das Rentenniveau nicht weiter und damit unter 48 Prozent absackt und die Beitragssätze wiederum nicht über 20 Prozent steigen können. Dafür bürgt der Staat mit dem Versprechen, die Deutsche Rentenversicherung im Bedarfsfall finanziell zu unterstützen.
Schutzklausel bewahrt die Renten vor Kürzung
Schon vor der Haltelinie gab es im Übrigen eine Gesetzesvorgabe, nach der die Renten auch dann nicht gekürzt werden dürfen, wenn die Löhne im Vorjahr gesunken sind.
Aus dieser gesetzlichen Vereinbarung und der doppelten Haltelinie ergibt sich eine Entwicklung, die auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, die aber lediglich eine logische Konsequenz darstellt: Wenn die Durchschnittslöhne 2020 sinken, die Standardrenten jedoch stagnieren, wird das Rentenniveau im kommenden Jahr steigen.
Vermeintliche Widersprüche wie eine „Rentenerhöhung in wirtschaftlich angespannter Lage“ (2020) oder ein „steigendes Rentenniveau trotz gesunkener Löhne“ (2021) sind somit bei genauerer Betrachtung schnell und sachgerecht aufgeklärt.
Scheinargumente schüren vermeidbare Konflikte
Dennoch wird seitens einzelner politischer Interessengruppen derzeit gerne der Eindruck erweckt, dass die Rentner*innen durch die Erhöhung einen unberechtigten Vorteil auf Kosten jüngerer Menschen erhielten – und das in einer Zeit, wo die meisten den Gürtel enger schnallen müssen.
Es sind vor allem diejenigen Stimmen, die sich schon vor der Corona-Krise für ein sinkendes Rentenniveau und für steigende Altersgrenzen ausgesprochen haben. Nun füttern sie ihre Forderungen mit vermeintlichen „Krisenargumenten“.
Gute Renten helfen auch den heute Jungen
Leider wird dabei übersehen, dass geringere Beitragszahlungen, die den Jüngeren zu mehr „Gerechtigkeit“ verhelfen sollen, in erster Linie deren Arbeitgeber erleichtern. Leistungskürzungen im System der gesetzlichen Rente verlagern Probleme allenfalls in die Zukunft. Und das hilft den Jüngeren nicht – vor allem jenen nicht, die sich private Altersvorsorge aufgrund geringer Löhne gar nicht leisten können.
Die mit niedrigen Beitragssätzen verbundenen privaten Risiken werden die (heute noch) Jungen einholen, wenn sie älter geworden sind.
Der SoVD warnt deshalb davor, ausgerechnet in der Krise eine vorgeschobene Generationendebatte anzufachen.
„Wenn im Kontext der Rentenerhöhung überhaupt über Gerechtigkeit debattiert wird, dann sollte die Auseinandersetzung nicht zwischen Alt und Jung geführt werden, sondern zwischen Arm und Reich, zwischen Benachteiligt und Privilegiert“, sagt SoVD-Präsident Adolf Bauer.
Eine ebenso klare Haltung vertritt der Verband zur Finanzierbarkeit der Renten: „Es geht im Kern nicht darum, ob die Rente für künftige Generationen bezahlt werden kann, sondern wer sie bezahlt.“
Gesetzliche Rente zeigt sich verlässlich in der Krise
Der SoVD macht sich seit Langem für die Rückkehr zur lebensstandardsichernden gesetzlichen Rente stark. Ziel ist eine Erwerbstätigenversicherung, in die auch Selbstständige, Beamt*innen und Abgeordnete einzahlen. Das Rentenniveau ist nach Überzeugung des Verbandes dabei schrittweise wieder auf 53 Prozent anzuheben. Die Grundlage der Finanzierung sollte nach Auffassung des Verbandes ein Umlagesystem mit Steuerzuschüssen sein.
„Die gesetzliche Rente ist ein sozialpolitischer Stabilitätsanker. Sie hat Krisen und zwei Weltkriege überdauert“, betont der SoVD-Präsident. „Jetzt zeigt sich, wie bei den anderen Sozialversicherungssystemen auch, ihre Verlässlichkeit. Es ist falsch, sie ausgerechnet jetzt kleinzureden.“