Über vier Millionen Menschen in Deutschland sind auf Pflege angewiesen. Eine Reform versprach ihnen unter anderem bessere Leistungen und finanzielle Entlastung. Das war 2017 eines der zentralen Vorhaben der Großen Koalition. Nun droht es endgültig zu scheitern. Denn bisher liegt lediglich ein vager Arbeitsentwurf für die dringend benötigte Pflegereform vor. Und der, so SoVD-Präsident Adolf Bauer, ändere leider nichts an dem Armutsrisiko Pflege.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) kündigt im Internet noch immer vollmundig eine umfassende Pflegereform an: „Die Löhne für Pflegekräfte sollen erhöht, Leistungen für die Pflege zu Hause verbessert und die Pflegekosten für Heimbewohner gedeckelt werden.“ Die Wahrheit ist jedoch, dass selbst innerhalb der Koalition niemand mehr mit einem Ergebnis vor der anstehenden Bundestagswahl rechnet. Zu lange dauert das parlamentarische Verfahren, für das bisher ohnehin nicht einmal ein Gesetzentwurf vorliegt. Allein ein Arbeitsentwurf machte bisher Details zu einer möglichen Reform bekannt .
Pflege darf Menschen nicht in die Armut führen
Der SoVD fordert seit Langem spürbare Erleichterungen für Pflegebedürftige. Deren finanzielle Belastung etwa für die stationäre Altenpflege stieg zuletzt auf durchschnittlich 2.068 Euro im Monat. Darin enthalten ist neben den Kosten für Unterkunft und Verpflegung auch ein für jede Einrichtung einheitlicher Eigenanteil. Dieser liegt derzeit bundesweit im Durchschnitt bei 831 Euro und würde sich nach den aktuellen Plänen des Gesundheitsministeriums erst im zweiten Jahr der Pflegebedürftigkeit reduzieren. Das aber ist nach Meinung des SoVD viel zu spät, um die Betroffenen wirksam vor einem pflegebedingten Armutsrisiko zu schützen.
Pflegebedürftige werden überwiegend privat betreut
In einem Heim lebt derzeit jede*r fünfte Pflegebedürftige. Der weitaus größte Teil von ihnen (80 Prozent) wird jedoch zu Hause versorgt. Pflegende Angehörige warten daher sehnsüchtig auf die von der Koalition versprochenen Verbesserungen. Tatsächlich aber könnte sich deren Situation sogar noch verschlechtern. Denn aus dem bisher bekannten Entwurf geht hervor, dass ausgerechnet die Verhinderungspflege stark eingeschränkt werden soll.
Budget soll Angehörigen eine Auszeit ermöglichen
Bei dieser Variante übernimmt ein*e Außenstehende*r stundenweise die Betreuung der zu pflegenden Person zu Hause, um die Angehörigen in dieser Zeit zu entlasten. Für die Verhinderungspflege stellen die Pflegekassen derzeit bis zu 1.612 Euro pro Jahr bereit. Aufgestockt werden kann dies noch einmal um die Hälfte aus Mitteln für die Kurzzeitpflege. Diese bezeichnet die Unterbringung der zu betreuenden Person in einer stationären Einrichtung für einen begrenzten Zeitraum. Insgesamt steht somit ein Betrag von 2.418 Euro pro Jahr zur Verfügung, der bisher flexibel eingesetzt werden kann.
Höherer Betrag mit deutlich weniger Spielraum
Mit der geplanten Pflegereform soll es künftig ein Gesamtbudget aus Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege in Höhe von insgesamt 3.300 Euro geben. Das klingt gut, hat aber einen entscheidenden Haken. Denn von diesem Betrag dürften künftig nur noch 40 Prozent für die Verhinderungspflege verwendet werden. Das wären mit 1.320 Euro deutlich weniger als die bisherigen 2.418 Euro.
Entlastung bei der Pflege ermöglicht Teilhabe
Diese Regelung stößt beim SoVD auf Kritik. Damit Pflegebedürftige und Angehörige die Mittel entsprechend ihrer persönlichen Situation verwenden können, sollte das Budget möglichst flexibel sein. So lässt sich Pflege- besser mit Erwerbsarbeit vereinbaren sowie mehr gesellschaftliche Teilhabe erreichen.
Auf Verbesserungen warten jedoch nicht allein pflegende Angehörige. Der Mangel an Fachkräften zeigt sich infolge der Pandemie
immer deutlicher auch in Krankenhäusern sowie in Alten- und Pflegeheimen. Stress, schlechte Arbeitsbedingungen und eine zu geringe Bezahlung machen die Pflege für Beschäftigte wenig attraktiv. Ändern sollte sich das mit einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, der jedoch kürzlich scheiterte.
Für den SoVD steht fest, dass eine Pflegereform keinen Aufschub duldet. Längst liegen die Vorschläge des Verbandes hierzu auf dem Tisch. Die Bundesregierung täte gut daran, diese zu berücksichtigen und ihren Ankündigungen endlich Taten folgen zu lassen.